Kaum etwas definiert den Rahmen f¨¹r unser t?gliches Leben und Erleben so sehr wie Architektur und St?dtebau: Wir bewegen uns in den von Stadtplaner*innen gestalteten R?umen, von denen unser soziales Handeln mitgepr?gt wird, wir wohnen in von Architekt*innen gestalteten H?usern, ihre Bauten sind Identifikationspunkte: Stadt und Architektur umgeben uns rund um die Uhr und d¨¹rfen als eines unserer wichtigsten ?Lebensmittel¡° verstanden werden.
Diese Omnipr?senz bringt eine gro?e Verantwortung mit sich. Einmal errichtet, sind sie in den meisten F?llen von Dauer ¨C und sollen und m¨¹ssen dies nicht nur in Anbetracht der aktuellen Ressourcenverknappung auch sein.
Welche Rolle spielt die Geschichte in der Architekturausbildung, wenn alle dr?ngenden Fragen unserer Zeit eher in die Zukunft gerichtet sind? F¨¹hrt man sich die Tatsache vor Augen, dass jede historische Zeit ihre eigene Gegenwart war, in der die zu gestaltende Zukunft noch im Ungewissen lag, dann erkennen wir: Wir sind nicht die ersten, die nach vorne schauen und sich fragen, wie ein angemessenes, ein ma?haltendes, r¨¹cksichtsvolles, nachhaltiges und gutes Weiterbauen m?glich sein kann ¨C ein Weiterbauen an der Stadt und an den H?usern, die sich dort zusammengefunden haben.
Diese Erkenntnis er?ffnet einen weiteren Weg zur Beantwortung der Frage: Wenn wir zur¨¹ck in die Geschichte blicken, finden wir Strategien zur Erf¨¹llung komplexer Anforderungen, die inzwischen selbst historisch geworden sind, indes nur in den seltensten F?llen keine Br¨¹cke in das Heute zu schlagen erlauben. Auch fr¨¹here Zeiten sorgten sich um den Erhalt ihrer Umwelt, hatten Strukturwandel zu bew?ltigen oder sahen sich mit eklatantem Wohnungsmangel konfrontiert. Ihre Bauten, insbesondere diejenigen aus j¨¹ngerer Zeit, stehen uns nicht blo? als ?fossile Geh?use ausgestorbener Gesellschaftsorganismen¡° (Gottfried Semper) gegen¨¹ber, sondern sprechen zu uns. Sie legen Zeugnis ab von den Ver?nderungen und ?berformungen, die sie im Laufe der Zeit erfahren haben, welche sich bei genauem Hinsehen als baulicher Ausdruck dahinterstehender Planungsmaximen zu erkennen geben.
Wenn die Stadt ¨C und mit ihr die Werke der Architektur ¨C als Palimpsest, als ?berlagerung von verschiedenen Zeitschichten, gelesen und verstanden wird, ?ffnet sie uns den Blick in die Vergangenheit ebenso wie in eine m?gliche Zukunft. An dieser Stelle wird auch die Bedeutung der Geschichte in der Architekturausbildung deutlich: Die kritische Lekt¨¹re der Vergangenheit erschlie?t eine Ressource der Wissensproduktion und kann das historische Handlungswissen in die Gegenwart f¨¹hren.

Zur Person

Prof. Dr. Rainer Sch¨¹tzeichel ist Architektur- und St?dtebauhistoriker. Im Anschluss an sein Architekturstudium an der FH K?ln und der TU Wien war er Redakteur der Zeitschrift des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten. Nach Abschluss des postgraduierten MAS-Studiums ?Geschichte und Theorie der Architektur¡° an der Eidgen?ssischen Technischen Hochschule (ETH) Z¨¹rich war er am dortigen Institut f¨¹r Geschichte und Theorie der Architektur sowie zuletzt am Institut f¨¹r Denkmalpflege und historische Bauforschung in Lehre und Forschung t?tig. Zudem war er Gastdozent f¨¹r Geschichte und Theorie der Stadt und der Architektur an der Hochschule M¨¹nchen. 2016 promovierte Rainer Sch¨¹tzeichel an der ETH Z¨¹rich, die Dissertation ist im darauffolgenden Jahr mit dem Theodor-Fischer-Preis des Zentralinstituts f¨¹r Kunstgeschichte ausgezeichnet worden. Seit dem Wintersemester 2022/23 ist er Professor f¨¹r Architektur- und Stadtbaugeschichte an der FH Potsdam.

Antrittsvorlesung
Wann: 23.01.2023, 18:00 Uhr
Ort: Haus D / Raum 011
Online: Live-Stream via Zoom

Die Antrittsvorlesung ist ?ffentlich. Interessierte sind herzlich willkommen. Im Anschluss an die Vorlesung gibt es im Foyer einen kleinen Empfang